Übersicht: Tipps, Tricks und Tutorials im Vektorgarten

Diesen Beitrag habe ich vor ein paar Jahren für den webstandardsblog geschrieben und poste ihn nun hier. Die Screenshots sind aus Version CS4, das Ganze funktioniert aber immer noch genau so.

Aussehen & CSS: Familienähnlichkeiten

Viele Illustrator-Anwender haben ein Problem mit dem Konzept von Aussehen-Eigenschaften. Diese dienen nicht bloß dem Einsatz von Effekten, sondern sind eigentlich die Grundlage objektorientierter Grafik. Wer das Aussehen verinnerlicht hat, kann nicht nur seine Objekte viel länger im Designprozess editierbar halten, sondern kann auch viel bequemer, schneller und vielseitiger mit Vektor-Programmen arbeiten. Ich schreibe hier ganz bewusst »Vektor-Programme«, denn man findet Vergleichbares in CorelDraw, Inkscape und FreeHand MX.

Gerade CSS-Spezialisten könnten speziell die Verständnis-Schwierigkeiten über das Aussehen mit einem Lächeln quittieren, gehen sie doch tagtäglich mit einem sehr verwandten Konzept um. Wenn Ihr Euch die Aussehen-Eigenschaften mal von diesem Standpunkt aus anseht, dann bekommt Ihr vielleicht einen besseren Zugang dazu.

Als Aussehen-Eigenschaften bezeichnet man ein Styling, das nur das optische Erscheinungsbild eines Objekts verändert, ohne seine Integrität zu beeinflussen: Füllungen, Konturen, Effekte, Transparenz. So wie die im CSS angelegten Attribute die Struktur des HTML-Dokuments auch nicht verändern.

Los geht's.

Das DOM: Struktur eines Illustrator-Dokuments
Wenn man mit Aussehen-Eigenschaften virtuos umgehen möchte, dann muss man verstehen, wie ein Illustrator-Dokument hierarchisch aufgebaut ist und wo man überall Eigenschaften unterbringen kann.

Illustrator-Dokument > Ebene(n) > Unterebene(n) > Gruppe(n) > Objekt(e)
(hellblau: diese Hierarchiestufen sind nicht obligatorisch, nur eine Ebene gibt es immer)

Die Dokumenthierarchie könnt Ihr in der Ebenen-Palette untersuchen. Die Einrückung zeigt, welches Element untergeordnet ist - wie in einer Code-Ansicht.

Anmerkung: Vielleicht ist Euch aufgefallen, dass Zeichenflächen (Seiten) hier keine Rolle spielen. Sie sind in dieser Hierarchie nicht fest eingeordnet, Ebenen oder Objekte sind keine Kinder einer bestimmten Seite und Seiten können auch nicht mit eigenen Eigenschaften belegt werden.

Besonders schön kann man die Verwandtschaft zwischen Illustrator-Aussehen und CSS-Styles an einem Textobjekt zeigen. Es erhält in diesem Workshop mithilfe von Aussehen einen Button-Look.

1. Klick mit dem Text-Werkzeug einmal auf die Zeichenfläche und gib einen kurzen Text ein: »Klick mich!«. Jetzt hast Du einen Punkttext erstellt. Er würde vom Startpunkt immer weiter fließen, bis Du einen Return eingibst.

2. Jetzt erhält der Text einen »Background«: Die Buchstaben verfügen bereits über eine Flächenfarbe - schwarz -, wir brauchen eine zusätzliche Fläche. Nimm Dir die Aussehen-Palette und wähle »Neue Fläche hinzufügen« aus dem Palettenmenü.

Die Fläche greifst Du und verschiebst sie unter den Eintrag »Zeichen«, damit es wirklich ein »Background« wird.

3. Damit man die Buchstaben - die »Zeichen« - vom Background unterscheiden kann, musst Du dem Background jetzt noch eine andere Farbe geben als den Buchstaben.

Wenn Du dazu einfach das Textobjekt mit dem Auswahl-Werkzeug anklickst und in der Farbe- oder Farbfelder-Palette eine neue Farbe bestimmst, änderst Du die Background-Farbe der in Schritt 2 erzeugten Fläche.

Möchtest Du dagegen die Farbe der Buchstaben ändern, geht das am einfachsten, indem Du sie mit dem Text-Werkzeug auswählst und dann eine Farbe bestimmst.

Gib der Background-Fläche eine rote Farbe und färbe den Text in Weiß.

4. Im Unterschied zu CSS sind Flächen in Illustrator nicht automatisch boxförmig – rechteckig – sondern haben exakt die Form, die der Pfad vorgibt. Oder wie in diesem Fall die Buchstaben. Die Box musst Du also erzeugen. Wähle die Fläche in der Aussehen-Palette aus, indem Du darauf klickst und rufe Effekt > In Form umwandeln > Rechteck auf.

5. In dieser Dialogbox findest Du wieder etwas Bekanntes: Padding. Das heißt hier nur nicht so. Wähle die Option »Zusätzliche Breite/Höhe« und gib dort die gewünschten Werte ein. Dazu aktivierst Du die Vorschau und siehst Dir auf der Zeichenfläche an, was sie bewirken.

6. Ein eckiger Button ist nicht immer gewünscht - gibt es den auch in rund? Ja, und es ist nur halb so aufwendig wie mit CSS. Es gibt zwei Wege. Du kannst entweder Deine Box nachträglich abrunden (mit Effekt > Stilisierungsfilter > Abrunden) oder Du nimmst statt des Rechtecks gleich das abgerundete Rechteck. Das kannst Du auch jetzt noch ändern, indem Du aus dem Menü das abgerundete Rechteck wählst.

 

7. Andere Texte wollen nun natürlich auch so aussehen. Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Nichts mit CSS zu tun hat das Pipette-Werkzeug. Daher übergehen wir das einfach mal...

8. ... und gehen über zu den Grafikstilen. Sowas wie verlinkte Stylesheets gibt es in Illustrator nicht, auch Grafikstil-Bibliotheken entsprechen nicht diesem Konzept, da sie keine Verbindung in Dateien aufrechterhalten, in denen sie benutzt wurden. Das gleiche gilt für alle anderen Bibliotheken.
Illustrator kennt nur »Inline-Styles«, also Grafikstile in der Datei. Um einen Grafikstil von dem Button zu erzeugen, aktivierst Du das Textobjekt und ziehst dessen Miniatur aus der Aussehen-Palette in die Grafikstile-Palette.

9. Diesen Grafikstil kannst Du anderen Textobjekten zuweisen, indem Du sie mit dem Auswahl-Werkzeug auf der Zeichenfläche auswählst und dann auf den Grafikstil klickst.

In der Aussehen-Palette wird dann der Name des Grafikstils als Eigenschaft des Objekts angezeigt.

Anmerkung: Ein Textobjekt ist in Illustrator ein wenig besonders. In diesem Fall ist es wichtig, dass Du vor dem Zuweisen des Grafikstils auf weitere Objekte die Option »Zeichenfarbe überschreiben« im Palettenmenü der Grafikstile-Palette deaktivierst.

10. Jetzt kommen wir zur hohen Schule: der Kaskade. Auf einer HTML-Seite packt man alle die Eigenschaften, die für darunter liegende Objekte gelten sollen, in ein übergeordnetes Element. Das geht in Illustrator auch. Zwar nicht in das Dokument allgemein, aber einer Ebene oder einer Gruppe kannst Du Aussehen-Eigenschaften zuweisen. Sie gelten dann für alles, was auf der Ebene liegt oder zur Gruppe gehört.

11. Um einer Ebene Eigenschaften zuzuweisen, musst Du sie »als Ziel auswählen«. Die Zielauswahl ist ein wichtiges Konzept in Illustrator, wird gerne übersehen oder mit der Auswahl von Objekten durcheinander gebracht.

Ziel-Auswahl: Ein Objekt muss als Ziel ausgewählt sein, wenn man ihm Eigenschaften zuweisen möchte. Einzelne Objekte oder Gruppen sind automatisch »Ziel«, wenn sie mit dem Auswahl-Werkzeug aktiviert wurden. Das Ziel-Symbol - der Bullet in der Ebenen-Palette - zeigt dies durch seine doppelte Umrandung an.

Da man Ebenen nicht mit dem Auswahl-Werkzeug aktivieren kann, muss es hier anders gelöst werden. Die Ziel-Auswahl geschieht auch über das Ziel-Symbol: um eine Ebene als Ziel auszuwählen, klickst Du auf den Bullet in ihrer Zeile.

12. Jetzt geht es wieder in die Aussehen-Palette, um die Eigenschaften für die Ebene zu definieren. Wir wollen hier eine Outline um die Texte und Buttons anlegen. Zunächst musst Du also in der Aussehen-Palette eine Neue Kontur anlegen (Palettenmenü, s. Schritt 2). Da die Ebene bisher keine Aussehen-Eigenschaften hatte, wurde automatisch auch eine Fläche angelegt - das kannst Du nicht abstellen, stört aber auch nicht.

Die Kontur ist viel zu stark, weise ihr eine geringere Stärke mit dem Menü in der Aussehen-Palette oder über die Kontur-Palette zu. Einen Wert kannst Du nicht nur aus dem Menü auswählen, sondern auch direkt in das Feld eintippen.

Die Eigenschaften werden angewendet auf die Objekte, die auf der Ebene liegen - aber es werden nicht nur die (real vorhandenen) Zeichen umrandet, sondern auch die über den Effekt erzeugte Buttonfläche.

13. Machen wir noch einen kleinen Ausflug zur Stapelreihenfolge - das kannst Du Dir vorstellen wie den z-index. Die Stapelreihenfolge gilt nicht nur für die Objekte selbst, die Du auf der Zeichenfläche übereinanderlegen und deren Sortierung Du mit Objekt > Anordnen > Nach vorne/hinten bzw. In den Vordergrund/Hintergrund bearbeiten kannst.

Auch die Aussehen-Eigenschaften haben eine Stapelreihenfolge, die Du in der Aussehen-Palette ändern kannst bzw. die auch schon beim Zuweisen z.B. eines Effekts automatisch vorgenommen wurde. Vielleicht ist Dir aufgefallen, dass die Neue Kontur aus Schritt 12 automatisch über der Schrift gelandet ist (in der Aussehen-Palette oberhalb von »Inhalt«).

Jetzt wendest Du einen Effekt an, der automatisch nach unten gestellt wird: den Schlagschatten. Als erstes klickst Du in der Aussehen-Palette einmal auf »Ebene«, um die Aktivierung der Kontur aufzuheben. Deaktiviere aber nicht die Ziel-Auswahl der Ebene.

Jetzt wählst Du Effekt > Stilisierungsfilter > Schlagschatten. Bearbeite die Optionen nach Geschmack und klick auf OK. Du siehst in der Aussehen-Palette, dass der Schlagschatten unter »Inhalt« angeordnet wurde - ganz von selbst. Bei Effekten ist die Anordnung im Aussehen-Bedienfeld wichtig für die Reihenfolge ihrer Anwendung, der Schlagschatten wird also in diesem Fall als letzte Eigenschaft am Objekt angewendet.

So wie Ebenen kannst Du übrigens auch die Aussehen-Attribute in der Aussehen-Palette greifen und verschieben. Du hast es in Schritt 2 auch bereits gemacht. Am besten probierst Du das einfach mal mit verschiedenen Eigenschaften aus - besonders ergiebig sind dabei die Effekte aus dem Bereich »Verzerrungs- und Transformationsfilter«.

Viel Spaß beim Experimentieren!

 

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